(ding) Ich bin ein passionierter Kirschenesser. Es gibt wohl keine andere Frucht, der ich im Wettbewerb mit Staren, Amseln, Drosseln – ja augenscheinlich allen Vögeln -so nachstelle, wie diesem Kernobst.
Um dieser Leidenschaft auch ordentlich frönen zu können, habe ich – natürlich auch meiner Frau gegenüber unter dem Aspekt der Bienenweide – ziemlich viele Kirschbäume im Garten angepflanzt.
Und wenn Ende Juni die Zeit gekommen ist, schwelge ich in Schüsseln voll von tiefroter Süss-, rotgelbgescheckter Glas- und gelber Knorpelkirschen. Was nicht frisch verbraucht wird, wird von mir persönlich eingemacht. Eine Reminiszenz an meine Großmutter Käthe, deren Schatz an Einmachgläsern mit murmelgroßen gelben Süßkirschen im großen Vorratsschrank auf der Diele für mich schon als Kind erstes Ziel jeden Besuches bei ihr war.
Und so habe ich also auch über das Jahr einen guten Vorrat an eingemachten und – ja das geht auch, wenn man es ein wenig tricky macht – eingefrorenen Kirschen.
Da sollte mich diese eine Kirsche dort oben im Baum ( auf dem Bild mit dem Pfeil gekennzeichnet ) doch nicht weiter aufregen, zumal ich schon längst meinen Frieden mit den Vögeln geschlossen habe: alles was für mich unerreichbar ist, gehört Ihnen. So ein Schutznetz wäre mir dann doch ein wenig zu gierig – und zu hässlich allemal.
Problem dieser einen Kirsche dort oben im Baum: Sie wuchs ganz allein auf „meinem Problembaum“, der neu gepflanzt im Schatten einer großen Wacholderhecke schon im vergangenem Jahr gar keine Kirsche hervorgebracht hatte.
Nun könnte man denken: na und, die anderen Bäume sind ja zum Biegen voll mit der geliebten Frucht, auch dank der in der Nähe untergebrachten Bienen.
Aber… die sind noch nicht soweit. Keine davon! Aber die dicke Einzelkirsche oben im Problembaum ist rot und reif!! Es wäre sozusagen meine Premierekirsche, sowohl von diesem Baum, als auch generell in diesem Jahr. Der herbeigesehnte Moment der zwischen Zähnen und Zunge hin und her gerollten Kugel, die dann mit einem Biss ihren Saft und ihr Fruchtfleisch preisgibt. Ich muss diese Kirsche haben!!
Dazu müsste ich allerdings eine Leiter aus der Remise holen… , die schon einige Schritte vom Ort der Handlung entfernt ist und – wir haben heute einen Junitag mit außergewöhnlich hohen Temperaturen.
Die Leiter… ich weiß gar nicht , ob sie reicht. Eventuell müsste ich dann doch die große (und schwere…) Leiter aus dem Stall benutzen… , noch weiter weg und nicht ein Deut Schatten auf dem Hof.
Die Erkenntnis: sei großzügig, selbst der frühe Vogel hat wahrscheinlich wegen der Hitze die Kirsche noch nicht entdeckt. Lass ihm doch den Genuss der „ersten Kirsche am Problembaum“, denke ich und freue mich über keine schweißtreibende Leiterschlepperei und meine Großzügigkeit.
Ich schaue noch einmal bewundernd hinauf, senke dann meinen Blick und….siehe da!
Es gibt wie durch ein Wunder auf einmal noch eine zweite Kirsche weiter unten links, auf Zehenspitzenhöhe, vielleicht nicht ganz so reif, aber schon in der Essbarkeitsphase. Ein wenig Recken, eine wenig Biegen und – knipps – liegt sie in meiner Hand, meine erste Kirsche vom Problembaum, meine erste Kirsche in diesem Sommer ! Und sie schmeckt fabelhaft!
Vielen Dank für diesen Überraschungsmoment!
Fried de Boers